Wie kam einst ein Werkscapri ins Outback? In die weiten, unbesiedelten und hauptsächlich trockenen Gebiete in Australiens Inland und an den abgelegenen Küsten? Liebe Gleichgesinnte und Interessierte, bevor ich zu diesem Thema und dem Bild unten mein Archiv öffne, will ich gerne kurz etwas zu meiner Person sagen. Mein Name ist Lukas Loosli. Ich bin in der Schweiz beheimatet und lebe mit meiner Familie am Jurasüdfuss in Pieterlen, ein Dorf zwischen den Städten Biel und Solothurn. Mit einem 75er II-er Ghia „aufgewachsen“, sorgte mein Vater bei mir für eine nachhaltige Prägung.
Damit das gleich mal klargestellt ist: Für mich gibt es nur einen Capri. Deshalb spreche ich hier nur vom Capri, womit ich unser Lieblingsauto in der Bauzeit von 1968 bis 1986 meine! Und dieser Capri ist, seit ich mich erinnern kann, mein Hobby. Ein Teil davon ist meine „Ford-Capri-Motorsport-Chronik“.
Und das begann so: seit ich einen Computer zur Verfügung habe, sammle ich Bilder und Daten zum Capri und seiner weltweiten Motorsportkarriere. Das dürfte in den späten 90er-Jahren gewesen sein. Eigentlich zum Schreiben meiner Abschlussarbeit gedacht, begann ich nebenbei Motorsportergebnisse, Bilder, Hintergrundinformationen und Anekdoten zu sammeln. Mittlerweile umfasst die Chronik hunderte von Word-Seiten und ein Bildarchiv von gegen 15.000 Bildern.
Als ich das Titelbild der letzten CCS-News (rechts) sah - dies ist eine kleine Zeitschrift, welche unser Dachverband Capri Club Schweiz zweimal jährlich herausgibt - wusste ich sofort, dass das ein spezieller Leckerbissen mit einer interessanten Hintergrundstory ist, zudem der Capri sogar immer noch in Down Under existiert. Gerne öffne ich für Euch außerhalb der Schweiz in der Capri aktuell meine Chronik.
Dulux-Rally: November 1972
Nein, das Bild ist kein Fake! Da steht tatsächlich ein Werkscapri im Jahr 1972 im Outback startbereit zur Dulux-Rally (die Eigenschreibweise der Veranstaltung) 1972, welche nach dem französischen Vorbild der traditionsreichen Tour de France ins Leben gerufen wurde. Nein, nicht Radrennen! Die Tour de France für Automobile war ein von 1899 bis 1986 in Frankreich ausgefahrenes Etappenrennen. Sie war ein Straßenrennen ähnlich der Mille Miglia, das im Unterschied zur italienischen Veranstaltung jedoch in unterschiedlichen Etappen gefahren wurde.
Dulux ist ein noch heute international tätiger Farbenhersteller. Eine Rallye in dieser Größe gewann schon damals sehr viel Publicity und führte vom 8. bis zum 18. November 1972 über 4.000 Kilometer von Brisbane über Sidney bis nach Melbourne und umfasste Etappen wie Bergrennen, Wertungsprüfungen auf Rennpisten und Straßenkursen inklusive Überführungsetappen auf Asphalt und unbefestigten Straßen. Und auf diesen Rallye-Etappen ging es schon mal äußerst rau zu und her. So sehr, dass zeitgenössische Kritiker von „zu rauh“ sprachen.
Down Under - ein RS im November 1972 im australischen Outback - eine lesenswerte Geschichte.
Die Autos mussten für die jeweilige Rallye- oder Asphalt-Etappe teils stark modifiziert werden. Zudem wurde auch bei Nacht gefahren. Die Balance zu finden zwischen Tourenwagenrennen und Rallye war für die Organisatoren schwierig. Ein solcher „Rallye-Tourenwagen-Exot“ ist der erwähnte Capri. Für die Prüfungsfahrten auf öffentlichen, nicht offiziell abgesperrten (!) Straßen wurden sämtliche Tempolimits aufgehoben. Nun, wenigstens war im australischen Outback nicht mit viel Verkehr zu rechnen. Um zur Dulux-Rally zugelassen zu werden, gab es keine großen Anforderungen ans Können der Teilnehmer. Trotzdem liest sich die Teilnehmerliste wie das damalige „Who is Who“ der australischen Motorsportszene.
Die Renn-Crews leisteten Schwerstarbeit. Dauert ein normaler Rennanlass normalerweise wenige Stunden, fand die Dulux-Rally während zwei Wochen, an Wochenenden, in der Nacht und auf sehr dreckigen sowie „fahrzeugkillenden“ Untergründen statt. Die Rennfahrzeuge waren vor allem Serienfahrzeuge, welche mit ein paar Modifikationen für die Langstrecke tauglich gemacht wurden. Wilde An- und Umbauten im Stil von Mad Max waren typisch für diese Art Rallye-Rennwagen. Der Werkscapri mit seinen reinrassigen Tourenwagen-Genen bildet da schon eine bemerkenswert exotische Erscheinung.
1971 wurde die Dulux-Rally erstmals ausgetragen und umfasste sogar 6.500 Kilometer. Zwei Capri aus australischer Produktion fuhren mit – aber das ist eine andere Geschichte. Nach zwei Austragungen 1971 und 1972 war Schluss, weil Hauptsponsor Dulux absprang und der Organisationsaufwand und das dafür nötige Budget astronomische Maße annahmen.
Der Capri: 2600 RS Weslake
Werkscapri? Australien? Wer da zuerst an Allan Moffats Cosworth-Capri denkt, liegt natürlich richtig. Aber: dies hier war der erste Werkscapri in Australien und sicher auch der erste und einzige im australischen Outback. Identifikation: Werkscapri Ford Köln, Chassisnummer GAEC LL 74371.
Das Fahrzeug erregt schon bei seiner Ankunft viel Aufsehen. Kotflügelverbreiterungen, noch dazu aus Kunststoff, kennt man im Herbst 1972 auf der anderen Seite des Erdballs in Australien und Neuseeland noch nicht. Unser Capri wird die australische und neuseeländische Motorsportszene mit diesem Feature beeinflussen – heute würde man sagen, er war ein „Influencer“ seiner Zeit.
In Europa ist die Rennsaison im November schon zu Ende und für den Capri dürften keine Renneinsätze mehr geplant sein. Aber auf der anderen Seite des Erdballs ist Sommer und Ford Australien importiert den ehemaligen Werkscapri von Ford France eigens für die Verwendung in diesem Event.
David Mc Kay am Start einer asphaltierten Etappe im Rahmen der Dulux-Rally.
Dass der Capri mit einem beachtlichen siebten Platz im Gesamtklassement von 27 Teilnehmern mit zum Teil großem Rang und Namen abschneidet, liegt sicher daran, dass die meisten Etappen der Rallye auf Asphalt stattfinden. Und doch muss sich das Kölner Coupé auch aufs unbefestigte Gelände begeben. Und genau von so einer Etappe stammt das Foto aus der CCS-News – eine Seltenheit also!
Nach anfänglichen Motorproblemen gewinnt David Mc Kay zur Freude der Ford-Fans die Etappen Silverdale (Bergrennen), Oran Park (Nachtrennen) und eine Straßenkurs-Entscheidung etwas außerhalb von Sidney, während sich die Fans der australischen Stammmarke Holden gegenüber der Pace des blau-schwarzen Linkslenkers langsam besorgt zeigen.
Die raue Mount Kinn-Etappe zum Beispiel lassen Mc Kay und Co-Pilot Garry Connelly lieber aus, was sie sich zu dieser Zeit mit einer komfortablen Führung im Gesamtklassement durchaus leisten können. Leider werfen zahlreiche Reifenschäden und deren Folgen den Capri später bis auf Rang sieben zurück. Insgesamt ist er aber auch auf den unbefestigten Pisten erstaunlich schnell, was nicht zuletzt dem fahrerischen Können Mc Kays und der genauen, noch analogen, Navigation von Connelly zu verdanken ist.
Am Ende gewinnen die australischen Lokalmatadoren auf ihren Holden Toranas, auch wenn sie auf der letzten Etappe auf der asphaltierten Rennstrecke Philipp Island während dem 20 Runden dauernden Rennen von Mc Kay im Capri auf der langen Hauptgeraden überrundet werden.
Kuriositäten und Anekdoten
Für unbefestigte Strecken wurden statt der breiten BBS-Räder schmalere Profilreifen auf Minilite-Felgen aufgezogen, welche in den verbreiterten Radkästen hochbeinig und verloren aussehen.
Das Fahrwerk wurde für den Rallye-Einsatz in der Wüste höhergelegt.
Nach dem Sieg auf der asphaltierten Rennstrecke Hume Weir vergaß die Mannschaft in der Freude, das Fahrwerk für die nächste Etappe auf unbefestigter Straße wieder hochzudrehen. Danach hatten die Mechaniker alle Hände voll zu tun, den Unterboden des Capri vom Dreck zu befreien und zahlreiche Schäden wieder in Ordnung zu bringen.
Mit schwarzem Klebeband befestigt, trug der Capri vorne und hinten die australischen Straßen-Zulassungsschilder A.C.T. YAX 952. Diese bedeuten: Australian Capital Territory, Machart der Schilder ab 1969, blau auf weiss, Buchstabenfolge ab YAA 011.
1977 war Graham „Tubby“ Ritter Besitzer und Fahrer dieses Capri. Er wurde zum „Sports Sedan“ umgebaut, einer Rennserie in Australien mit sehr offenem Reglement, geeignet für ausgemusterte Tourenwagen mit wilden Umbauten. Dafür wurden die Teile eines March 751 F5000 verwendet, welcher John Connor in Australien zurückgelassen hatte: Motor, Getriebe, Radaufhängung, Bremsen. Zum Einsatz kam ein 5-Liter-Chevrolet-V8-Motor, welcher später auf Doppelturbolader nachgerüstet wurde. Renneinsätze erfolgten in Australien und Neuseeland.
2020 stand das Auto nach einer Restaurierung in der Optik des Siegerfahrzeugs der 24 Stunden von Spa 1972 für 240.000 Australische Dollar zum Verkauf. Dies entspricht heute rund 147.000 Euro.
[Text: Lukas Loosli - Fotos: Sammlung Lukas Loosli]